Im Strafverfahren sind dem Betroffenen durch das Gesetz kurze Fristen gesetzt. So besteht bei einem Strafbefehl nur innerhalb von zwei Wochen die Möglichkeit des Einspruchs. Gegen Urteile müssen Berufung oder Revision sogar innerhalb von nur einer Woche eingelegt werden. Da die Fristen knapp bemessen sind, passiert es nicht selten, dass sie versäumt werden. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass das Urteil oder der Strafbefehl rechtskräftig wird.
Die Rechtskraft hat zur Folge, dass das Urteil bzw. der Strafbefehl nunmehr vollstreckt werden kann: Die Geldstrafe muss bezahlt und die Freiheitsstrafe muss angetreten werden. Regelmäßig besteht dann höchstens noch die Möglichkeit, auf der Ebene der Strafvollstreckung noch Erleichterungen für den Betroffenen zu erreichen: Beispielsweise kann hinsichtlich einer Geldstrafe eine Ratenzahlung und hinsichtlich der Vollstreckung einer Haftstrafe ein Strafaufschub aufgrund besonderer Umstände beantragt werden.
Wurde eine Rechtsmittelfrist versäumt, sollte die Verurteilung jedoch nicht vorschnell akzeptiert werden. In vielen Fällen bietet die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Chance, das Rechtsmittel doch noch geltend machen zu können.
Gemäß §§ 44, 45 StPO besteht die Möglichkeit einer "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand". Die Vorschriften besagen, dass ein Rechtsmittel innerhalb einer Woche nachgeholt werden kann, wenn der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ist die Wiedereinsetzung erfolgreich, läuft das Verfahren so weiter, als wäre das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden.
Wichtig bei der Formulierung eines Antrags auf Wiedereinsetzung ist, dass dem Gericht gegenüber glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft. Verschuldet hat ein Betroffener ein Versäumnis rechtlich gesehen dann, "wenn er die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und Eigenschaften unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls mögliche und zumutbare Sorgfalt beachtet".
Dazu, welche Sorgfalt eine Person im Alltag und insbesondere hinsichtlich der Zustellung von Post walten lassen muss, existiert umfangreiche Rechtsprechung. Anerkannt ist beispielsweise, dass ein Beschuldigter im Strafverfahren grundsätzlich keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich seiner Post treffen muss, wenn er in den Urlaub fährt, sodass meistens kein Verschulden gegeben ist, wenn er aufgrund des Urlaubs die Zustellung eines Strafbefehls oder Bußgeldbescheides verpasst. Nach § 44 S. 2 StPO ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zudem immer dann als unverschuldet anzusehen, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist.
Dass den Betroffenen kein Verschulden trifft, muss glaubhaft gemacht werden. Dies kann zum Beispiel durch Atteste oder sonstige Urkunden (Schriftstücke) oder durch Zeugenerklärungen geschehen. Achtung: Eine schlichte Erklärung des Betroffenen ohne weitere Beweismittel ist grundsätzlich nicht ausreichend.
Sobald Sie als Betroffener bemerken, dass Sie eine Frist im Strafverfahren versäumt haben, ist schnelles Handeln gefragt. Gemäß § 45 StPO bleibt Ihnen nur eine Woche, um einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Nehmen Sie daher in einem solchen Fall am besten unmittelbar Kontakt mit einem auf das Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt auf. Ihr Strafverteidiger prüft für Sie den Sachverhalt und übernimmt für Sie die Formulierung des Antrags auf Wiedereinsetzung, bei der es hinsichtlich des Verschuldens und der Glaubhaftmachung auf juristische Feinheiten ankommen kann.
Rechtsanwalt Dr. Jörg Becker, Rechtsanwalt Patrick Welke und Rechtsanwältin Selina Geiger übernehmen Ihre anwaltliche Vertretung im Strafverfahren. Wir beraten Sie umfassend zu den Chancen eines Wiedereinsetzungsantrags, stellen diesen bei Gericht und verteidigen Sie im fortlaufenden Rechtsmittelverfahren. Sollte ein Wiedereinsetzungsantrag in Ihrem Einzelfall einmal keine Chance auf Erfolg bieten, beraten wir Sie auch zu alternativen Möglichkeiten. So kommt möglicherweise eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens in Betracht. Auch besteht die Möglichkeit, Anträge auf Vollstreckungserleichterung - zum Beispiel eine Ratenzahlung, einen Aufschub der Vollstreckung der Haftstrafe oder eine Zurückstellung der Strafe zugunsten einer Therapie - zu stellen.
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