Das Jugendstrafrecht weist gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht verschiedene Besonderheiten auf. Das Jugendgerichtsgesetz widmet sich vollständig dem Ablauf eines Strafverfahrens gegen Jugendliche und Heranwachsende.
Ein besonders deutlicher Unterschied zwischen Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht besteht in den unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten. Das Erwachsenenstrafrecht sieht als Hauptstrafen lediglich Freiheits- oder Geldstrafen vor. Das Jugendstrafrecht bietet dagegen eine Vielzahl möglicher Sanktionen und Reaktionsmöglichkeiten. Hierdurch sollen Staatsanwaltschaft und Gericht die Möglichkeit eröffnet werden, individuell auf die Person des Jugendlichen und dessen Charakter eingehen zu können.
Das Jugendstrafrecht unterscheidet zwischen Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und der Jugendstrafe.
Als mildeste Sanktionsform sind zunächst die Erziehungsmaßregeln zu nennen. Von größter Bedeutung sind hierbei Weisungen, die das Gericht dem Jugendlichen erteilen kann.
Das Jugendgerichtsgesetz sieht in § 10 beispielhaft einige Weisungen vor, beispielsweise:
Am häufigsten werden in der Praxis Arbeitsstunden aufgegeben. Die Aufzählung in § 10 JGG ist nicht abschließend. Dem Gericht steht es also an sich offen, andere Weisungen zu erteilen, jedoch steht dem Richter die Wahl der Weisungen nicht völlig frei. Weisungen müssen grundsätzlich hinreichend bestimmt sein und dürfen den Jugendlichen auch nicht unzulässig in seinen Grundrechten einschränken.
Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendgerichtsgesetz sollen lediglich erzieherisch wirken. Die sogenannten "Zuchtmittel" dienen stattdessen dem Willen des Gesetzgebers nach dazu, die begangene Straftat zu ahnden und das Unrechts- und Verantwortungsgefühl des Jugendlichen schärfen. Dabei hat das mildeste Zuchtmittel deutlich weniger fühlbare Auswirkungen für den Jugendlichen als so manche Erziehungsmaßregel: Auch die bloße Verwarnung gilt als Zuchtmittel. Sie besteht aus einer bloßen Ansprache gegenüber dem Jugendlichen, dem damit das Unrecht der Tat eindringlich vor Augen gehalten werden soll.
Das häufigste Zuchtmittel stellen die Auflagen gem. § 15 JGG dar. Dem Jugendlichen kann gemäß dieser Vorschrift aufgegeben werden,
Die Aufforderung, Arbeitsstunden zu erbringen, kann also sowohl als Weisung als auch als Auflage erteilt werden.
Außerdem sieht das Jugendgerichtsgesetz als Zuchtmittel den Arrest vor. Hierbei ist zwischen dem Freizeitarrest, dem Kurzarrest und dem Dauerarrest je nach Länge zu unterscheiden. Vollzogen wird der Arrest in speziellen Jugendarrestanstalten, in denen erzieherisch auf die Jugendlichen eingewirkt werden soll. Ein Arrest dauert höchstens vier Wochen.
Eine Sonderform des Arrests ist der - in kriminologischen Fachkreisen stark kritisierte - Warnschussarrest. Diese Form des Arrests wird neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe angeordnet. Er soll dem Willen des Gesetzgebers nach verhindern, dass Jugendliche eine Strafaussetzung zur Bewährung als eine Art "Freispruch" empfinden.
Die Jugendstrafe ist die schwerste Sanktionsform des Jugendstrafrechts. Sie entspricht der Freiheitsstrafe bei Erwachsenen. Der Jugendliche verbüßt seine Haftzeit in gesonderten Justizvollzugsanstalten für Jugendliche, wie beispielsweise der JVA Adelsheim.
Jugendstrafe darf nur unter engen Voraussetzungen verhängt werden. Gem. § 17 Abs. 2 JGG ist eine Jugendstrafe nur dann anzuordnen, wenn entweder
"Schädliche Neigungen" können nur dann vorliegen, wenn der Jugendliche erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel zeigt, die die Gefahr begründen, dass der Jugendliche ohne längere Gesamterziehung durch weitere Straftaten auffällig werden wird. Daher scheidet die Annahme schädlicher Neigungen bei Ersttätern grundsätzlich aus - ebenso wie bei Taten, die aus einem Konflikt oder aus einer Notsituation heraus begangen wurden. Allein wegen schädlichen Neigungen darf auch keine Jugendstrafe verhängt werden, die mehr als 5 Jahre beträgt.
Die besondere Schwere der Schuld ist dagegen regelmäßig nur bei Tötungsdelikten oder Delikten mit Todesfolge gegeben.
Die Jugendstrafe beträgt mindestens 6 Monate und höchstens 10 Jahre. Bei einem Mord gem. § 211 StGB kann ein Heranwachsender, also eine Person, die zum Tattzeitpunkt zwischen 18 und 21 Jahren alt war, auch zu 15 Jahren Haft verurteilt werden.
Die vielseitigen Sanktionsmöglichkeiten sorgen dafür, dass im Jugendstrafverfahren deutlich mehr Möglichkeiten zur Haftvermeidung existieren als im Erwachsenenstrafrecht. Bereits das Gesetz sieht die Jugendstrafe ohne Bewährung lediglich als letztes Mittel vor. Durch eine genaue Kenntnis der Besonderheiten des Jugendstrafrechts und eine gezielte Strafverteidigung, die bestenfalls bereits während des Ermittlungsverfahrens beginnt, lässt sich im Strafverfahren das für den Beschuldigten im Einzelfall bestmögliche Ergebnis erzielen.
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